Skarntyde – Flukt fra menneskeligheten

12. Januar 2022
By

Zwar wurde der Zenit des norwegischen Black Metals, zu dessen triumphalen Zeiten ein unsterblicher Klassiker nach dem anderen im Grieghallen Studio in Bergen aufgenommen und produziert wurde, schon vor vielen Jahren über-schritten, doch haben all diese Werke bis zum heutigen Tag nichts von ihrer dunklen Magie verloren und inspirieren weiterhin zahllose aufstrebende Formationen, die gar nicht an einer Weiterentwicklung des Genres interessiert zu sein scheinen. Nun mögen böse Zungen behaupten, dass es derartigen Bands als Ewiggestrigen schlichtweg an eigenen Ideen und Visionen mangele, um einen eigenständigen Sound zu erschaffen. Doch trifft diese Behauptung längst nicht auf alle Gruppierungen zu, die sich dem rohen Klang der frühen 90er Jahre verschrieben haben.

Zu eben diesen Individuen, die sich bemüht zeigen, den Geist der alte Schule des nordischen Schwarzmetalls am Leben zu erhalten, zählen ebenfalls die beiden Herren hinter SKARNTYDE aus Oberbayern, die bei ihrer Verehrung der skandinavischen Helden sogar soweit gehen, sämtliche Texte in norwegischer Sprache zu verfassen. Anstatt jedoch einfach „DE MYSTERIIS DOM SATHANAS“ oder „A BLAZE IN THE NORTHERN SKY“ zu rezitieren, wie dies heutzutage bei anderen Kapellen nur allzu oft der Fall ist, wird mit „FLUKT FRA MENNESKELIGHETEN“ ein sehr eigen-ständiges und vielschichtiges Werk vorgelegt, auf dem erneut ein sehr interessantes lyrisches Konzept verfolgt wird. Widmeten sich SKARNTYDE auf ihrem ersten Demo namens „SPURVEHAUK“ dem Jadgverhalten des Sperbers, steht auch auf dem ersten Langspieler ebenfalls die Natur und die Rückkehr zu dieser im Fokus.

Diese sogenannte Flucht vor der Menschlichkeit – so der übersetzte Titel des Rundlings – wird in neun Akten vertont, die sich zwar tief im nordischen Black Metal verwurzelt zeigen, sich hierbei aber keinesfalls auf bestimmte stilistische Mittel beschränken lassen. Dies führt dazu, dass auf etwas mehr als dreiviertelstündigen Werk klirrende Tremoloriffs mit krächzendem Keifgesang unvermittelt auf verhaltene Akustikgitarren samt gefühlvollem Klargesang treffen, ohne dass dieser durchaus starke Kontrast in irgendeiner Weise unpassend wirkt. Nein, trotz all der vielen unterschiedlichen Elemente, die in den meist sehr finsteren Kompositionen vereint werden und zu denen im weiteren Verlauf ebenfalls noch mehr oder wenige dominant inszenierte Keyboards gehören, wirkt „FLUKT FRA MENNESKELIGHETEN“ stets in sich stimmig und weist bis zum letzten Takt die gleich Handschrift auf. Dies mag allerdings auch der rauen Produktion des Albums geschuldet sein, die zwar klar, aber gleichzeitig auch enorm kantig daherkommt, somit aber perfekt zum stellenweise fast schon dissonanten Riffing passt, wie es sich etwa gleich zu Beginn in „Ting som jeg er så lei av“ offenbart. Es geht aber nicht immer so ruppig zu, gelingt es SKARNTYDE recht gut, die Stimmung des jeweiligen Songs der zugehörigen Handlung der Geschichte der Platte anzupassen. Zwar liegen die Texte leider nicht vor, doch geben die aussagekräftigen Titel einen sehr guten Eindruck davon, was „Fjelleiner“ aus sich herausschreit und so wirkt „Gjennom regn og grå skyer“ tatsächlich wie eine Wanderung durch einen wütenden Sturm, der den kalten Regen ins Gesicht peitschen lässt, wohingegen „Over tåkehavets stille bølger“ auf leicht wogenden Wellen dahingleiten lässt, den umherschweifenden Blick auf den endlosen Horizont gerichtet. Ihren grausamen Traum, von einer Welt ohne Menschen, verwirklichen SKARNTYDE letztendlich in „Drøm av menneskehetens ende“ mit schaurigen Klängen voller Wehmut.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es SKARNTYDE geschafft haben, atmosphärisch dichte Tracks zu komponieren, mit denen die Botschaft der Lyrik passend umgesetzt wird und die dem Charme der norwegischen Idole oft schon sehr nahe kommen, egal, ob es sich bei diesen nun um GORGOROTH oder ULVER handelt. Der in der Rezension zum zwei Jahre alten Vorgänger gegebenen Empfehlung, ihre eigene Noten auf künftigen Veröffentlichung stärker herauszuarbeiten, sind die beiden Bayern auf „FLUKT FRA MENNESKELIGHETEN“ auf jeden Fall absolut zufriedenstellend nachgekommen.

Homepage

Tags: , , ,

Comments are closed.